Skinny Puppy: Weapon Drucken E-Mail
Geschrieben von: Mira Sommer   
Donnerstag, den 30. Mai 2013 um 21:21 Uhr

Cover Skinny PuppyLabel: Metropolis Records
Genre: Electro/Wave
Erschienen:
28. Mai 2013

Nach zwei Jahren Wartezeit liegt nun ein neues Album von Skinny Puppy vor. Hochglanzrobotspinne auf dem Cover und ein spartanischer Titel "Weapon" geben noch nicht viel Aufschluss. Dafür dann aber das Booklet: Bilder aller möglichen Waffen, einfache Farbschemata, apokalyptische Zitate. Schon bei den ersten zwei Songs ertönen die gewohnten post-industrialen Skinny-Puppy-Klänge, als wäre die Zeit stehen geblieben. Vor allem bei "IllisiT" und "Solvent" ist das der Fall. Jedoch scheint zunächst alles etwas minimalistischer.


Die seit 1982 musikschaffenden Kanadier Nivek Ohgr, Cevin Key und Mark Walk sind in ihren Texten noch wütender, was angesichts des vorherrschenden Themas kein Wunder ist. Zuletzt im Sommer des Jahres 2005 in Deutschland auf der blutigen Bühne gesehen, wurde es live still um die Formation. Zum Wave-Gotik-Treffen war zumindest das Seitenprojekt KMFDM anwesend, mit voller Wucht und ohrenbetäubender Lautstärke in der Agra-Halle in Leipzig. Das neue Album scheut sich nicht, wie von Skinny Puppy gewohnt, aktuelle, unbequeme Themen aufzugreifen und kritisch zu bearbeiten.

Hier geht es nun, wie der Name schon sagt, um die Waffenlobby, das Glorifizieren der Waffe an sich und die verheerende Wirkung eines Angriffs durch Waffen. "Das menschliche Tier ist eine Waffe", sagt Nivek Ohgr. "Jeder Gedanke und jede Tat (...), politisch, physisch oder spirituell, hat das Potential Schaden und Elend anzurichten. Dieselbe Tat, ohne Angst und Misinformation übermittelt, sondern von einem positiven Anliegen begleitet, hätte den gegenteiligen Effekt."

Diese Art von intellektuellem Diskurs war schon immer die Handschrift der Formation Skinny Puppy. "Wir produzieren Waffen, ganz einfach", erklärt Ogre.

Der Mensch ist die Waffe

Mit Massakern, die scheinbar immer öfter stattfinden, und der Waffenkontrolle als "heißes Eisen" in der amerikanischen Politik schien es an der Zeit, diese Punkte zu thematisieren. "Waffen und Pharmazie sind die letzten Bastionen der Investoren (des Wohlstandes), der letzte Halt des Produzierens in einem zerbröckelnden Machtsystem, welches noch immer wechselseitige Zerstörung fördert", schliesst Ogre. "Es wird verstümmelt, geschwächt, kontrolliert durch genetische Veränderungen und Bombadierung ganzer Populationen bis wir zurück im Steinzeitalter angekommen sind. Dann werden Mutationen durch neue Medizin in Schach gehalten, während behauptet wird, es wäre zur Heilung der Menschen (...) Waffen sind dann der nächste Schritt in der Evolution. Wir sind Waffen."

Musikalisch bewegen sich die Songs noch immer auf dem Level von ineinander übergreifenden Stilen von Electro, New Wave, Industrial und Rock

"IllisiT" versteht sich als Fock auf die Autoritätenkontrolle, die uns vor den vermeintlichen kriminellen Elementen schützen will. Eine Art Sirene mischt sich unter den pulsierenden Rhythmus.  Bürger bewaffnen sich, um sich vor anderen Bürgern zu schützen. Gedanken an den amerikanischen Farmer mit der Schrotflinte im Schaukelstuhl können da leicht entstehen.

Der klassische Skinny-Puppy-Sound ist wohl in "Solvent" am stärksten vertreten. Es geht um eine an George Orwell angelehnte Zukunft. Die Waffe hat nur Macht in den Händen der Menschen, die keine Angst haben sie zu benutzen. Es ist eine Welt, wo jeder Privatbürger eine Waffe hat, jedoch von Überwachungskamereas bewacht wird.

In "Tsudanama" kann zwischen den laserwaffenartigen Schüssen eine ferne und schwache Stimme des Protestes gegen den Zukunftsentwurf vernommen werden. Diese Art von Dystopie, die schon in anderen Texten vorkommt, ist die Anti-Utopie, eine fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung mit oftmals negativem Ausgang. Sie handelt von einer Gesellschaft, die sich zum Negativen entwickelt, und stellt somit einen Gegenentwurf zur positiven Utopie dar.

Kampfbereitschaft und Resignation

In "PlasiCage" wird der Hörer dann aufgefordert, selbst den Kampf gegen die waffenverehrende Kultur aufzunehmen. Es werden also nicht nur Zustände beschrieben, sondern es findet direkt ein Aufruf statt. Wenig Hoffnung setzen die Texte jedoch in die Menschheit. Klang "PlasiCage" noch optimistisch kampfbereit, ist "Terminal" ein Grab- und Trauergesang, mit Chor und düsteren Klängen. Ein Abgesang auf unsere Gesellschaft?

Viele Fragen werden aufgeworfen, Zukunftsszenarien entworfen. Antworten ergeben sich fast von selbst. Das Album ist also nicht nur ein Tanzgenuss, sondern vor allem Denkanstoß. Am Ende ein Widerspruch in sich, oder vielleicht doch nicht: Musik als Waffe? Vielleicht. Gegen die Waffengewalt.

Trackliste

01. Wornin'
02. IllisiT 
03. SaLvo   
04. GLowbeL
05. Solvent
06. ParagUn
07. Survivalisto
08. Tsudanama
09. PlasiCage
10.Terminal

Vielen Dank an Result Promotion für die Bereitstellung des Rezensionsmaterials!