Siebte NCN in Deutzen – Spätsommerfestival mit über 30 Bands an drei Tagen Drucken
Geschrieben von: Wolfgang Hesse   
Mittwoch, den 26. September 2012 um 08:53 Uhr

kmfdm © wolfgang hesseDie Nocturnal Culture Night (NCN) ist eines der wenigen Festivals in Mitteldeutschland. 2012 geht die NCN bereits in das siebte Jahr und ist zu einem festen Termin im jährlichen Eventkalender geworden. Mit maximal 2000 Besuchern zählt sie zu den familiäreren Festivals ihrer Art. Das bemerkt man sofort an den relaxten Besuchern. Es scheint, als ob sich auf der NCN ein eigenes Stammpublikum etabliert hat, das alljährlich in der zweiten Septemberwoche zwischen Weiden und Nadelbäumen ein Wiedersehen feiert.


Da das Programm auf den beiden Hauptbühnen zeitversetzt dargeboten wird, kommt es kaum zu Überschneidungen. Zusätzlich sind auf einer kleinen Kulturbühne Kleinkunst, Literatur, extravagante Mode und diverse künstlerische Leckerbissen zu erleben.

Obwohl sich am Freitag das Gelände nur allmählich füllt, werden die ersten Bands dennoch begeistert empfangen. Mit düsterer Electronik und gesellschaftskritischen deutschen Texten beginnen Coinside den Konzertreigen am ersten Festivaltag. Die tiefe durchgreifende Gesangsstimme von Sven Bussler wird begleitet von mitreißendem Keyboardsound. ---> Bilder Coinside

Musik à la Rammstein und Goth-Rock aus Englandmaerzfeld © wolfgang hesse

Auf der großen amphitheaterähnlichen Naturbühne eröffnen Maerzfeld den Konzertmarathon. Das Sechstett legt sogleich kräftig los und die Musiker lassen mit Rock und Metal die Bühne erzittern. Sänger Heli Reißenweber erinnert im Stil und Gesang an Till Lindemann von Rammstein und so ähnlich klingen auch die Lieder der Band.

Maerzfeld touren derzeit gemeinsam mit Stahlmann durch die deutschen Lande und haben ihr Debütalbum "Tief" im Gepäck. Deutsche Texte wie "Spieglein" beschreiben Situationen des Lebens, die meist in den dunkleren Momenten des Daseins angesiedelt sind. Viel Applaus und einige Zugaberufe lassen erkennen, dass Maerzfeld in Deutzen beim Publikum angekommen sind. ---> Bilder Maerzfeld


nosferatuAn gleicher Stelle bringen einige Zeit später A Live Divided Elektro-Rock auf die NCN. Die Musiker um Frontmann Jürgen Plangger aus Bayern präsentieren unter anderem Lieder aus dem 2011 veröffentlichten Album "Passenger". Viel Begeisterung schlägt der Band von den Rängen entgegen, als sie mit einem Coversong eine Hommage an VNV Nation interpretieren. ---> Bilder A Live Divided

Gäste aus England erwarten die Besucher auf der kleinen Bühne: Nosferatu sind Goth-Rocker mit Hang zum Grotesken. Bassist Stefan Diablo erscheint an diesem Abend im Kostüm als Gevatter Tod. Gitarrist Damien DeVille und Sänger Louis De Wray mit Sonnenbrille geben Gas. Mit "Bombers" und "Black Hole" sind zwei Songs vom Album "Wonderland" aus dem Jahr 2011 zu hören. Aber auch der Klassiker "Darkangel" fehlt beim NCN-Konzert nicht. Somit entwickelt sich Nosferatu zu einem echten Höhepunkt am ersten Festivalabend. ---> Bilder Nosferatu


Eric Fish – akustische Töne auf der NCN – eine willkommene Abwechslung

Mit Eric Fish folgt sogleich der Nächste auf der Mainstage. Er führt weg von der harten Electronik und den Rockgitarren in eine Welt der handgemachten Musik auf Akustikgitarren, Cello und Piano.

eric fish © wolfgang hesse

Es folgen Lieder von den drei Fish-Alben, immer abwechslungsreich gemischt mit irischen Klassikern, denen sich Fish and Friends auf der CD "Zugabe III" angenommen haben (Rezianer berichtete).

Trotz ungewohntem Sound ernten die Akustiker vor einem zahlreichen Auditorium viel Beifall und letztendlich lassen sich die fünf Musiker zu einer Zugabe hinreißen. Mit "Scheiß Egal" verabschieden sich Eric Fish und seine Freunde, das von vielen Fans lautstark und textsicher mitgesungen wird. ---> Bilder Eric Fish

Auf der kleinen Bühne geht es wieder härter weiter. Orange Sektor ziehen mit ihrem kraftvollen Start die Zuhörerschaft in ihren Bann. Harter treibender Oldschool-EBM wie "Krieg Und Frieden" beeindrucken.  Eine tiefe eindringliche Stimme und direkte deutsche Texte wollen und können schockieren. Vor der Bühne wird hart gepogt. Die Security ist schon zur Stelle. Davon lassen sich aber die beiden Männer Lars und Martin auf der Bühne nicht abhalten und heizen weiter kräftig ein. ---> Bilder Orange Sektor

"Auf der Tanzfläche herrscht Krieg", so heißt es passend zum Treiben vor der Bühne im nächsten Song. "Endzeit", "I Hate You" und "Untertage" enthalten teilweise gesellschaftskritische Textstellen, schockieren jedoch mit direkten und unverblümten Worten. Bis zum letzten Song herrscht Begeisterung vor der kleinen Bühne und die Massen bewegen sich im Rhythmus der harten monotonen elektronischen Klänge.

KMFDM – Industrialrock aus den USA

Da das Mitternachtsspecial Widukind aufgrund der Erkrankung von Mastermind Carsten Klatte abgesagt werden musste, beschließen KMFDM den ersten Festivalkonzertabend. Als wiederauferstandene Band KMFDM 2002 konnte die deutsch/amerikanische Industrial-Metal-Band seitdem bereits fünf Studioalben veröffentlichen.

kmfdm © wolfgang hesseMit Songs wie "Blitz", "Ruck Zuck" und "Tohuvabohu" beherrschen die beiden Frontleute Lucia Cifarelli und Sascha Konietzko das Terrain. Eine fantastische Lichtshow begleitet den Auftritt, der von Dynamik nur so strotzt. Lucia Cifarelli, in einem knappen Outfit, animiert die Zuhörer rechts und links der Bühne vor speziell dort installierten Scheinwerfern. Die Begeisterung erreicht zum Ende hin ihren Höhepunkt, sodass sich die Band der Zugaberufe sicher sein konnte. ---> Bilder KMFDM


Back to the Roots – Erinnerungen an die frühen Szene-Jahre

Ganz im Zeichen der Klassiker der Musik der Gothic-Szene steht der zweite Festivaltag. Age of Heaven, erst 2011 beim 20. WGT als Mitbegründer im Eröffnungsprogramm (Rezianer berichtete), sind wieder gemeinsam auf den Bühnen und zeigen, dass sie in all den Jahren nichts an Qualität eingebüßt haben.

Mitte der 80-er Jahre entwickelten sich aus dem entstandenen Punk die ersten Bands, die mit düsteren und emotionalen Inhalten die Grundideen für die damals neue Gruftie- und Gothic-Szene musikalisch umsetzten. Joy Division und die Punk-Waver Fliehende Stürme zählen dabei zweifellos zu den Urgesteinen.

peter hook © andreas noackJoy-Divison-Gründungsmitglied Peter Hook beschließt als Headliner den zweiten Festivaltag mit den unvergesslichen Songs der Anfangszeit. "Love Will Tear Us Apart" und "Shadowplay" zählen zu den Klassikern, die unzählige Bands der Szene inspirierten.

Peter Hook versteht es gemeinsam mit The Light diese Zeit durch die Musik wiederzubeleben und das Andenken an Ian Curtis, Frontmann und Sänger von Joy Divison, lebendig zu halten. ---> Bilder Peter Hook and The Light

Der Publikumsmagnet an diesem Tag ist der Auftritt von Suicide Commando.

Alle Anwesenden des Festivals scheinen sich vor der Mainstage versammelt zu haben. Suicide Commando stehen auf der Bühne. In einem vielumjubelten Konzert schafft es Johan Van Roy zu begeistern. Mit seiner energiegeladenen Show lässt der Frontmann in Emotionen und Gesten erahnen, was er mit seinen Texten und der Musik ausdrücken möchte. Das fasziniert. Auf den Gesichtern des einen oder anderen Besucher zeichnet sich eine gewisse Beklemmung oder Nachdenklichkeit ab. ---> Bilder Suicide Commando


Von EBM über Elektrorock bis zu brachialer Lebensfreudesubstaat © wolfgang hesse

Der dritte Festivaltag beginnt bereits in der strahlenden Mittagssonne und damit kurz nach dem Aufstehen vieler Camper, die auf dem angrenzenden Zeltplatz übernachtet haben. Terje Vangbo und Substaat aus Norwegen begrüßen die ersten Festivalbesucher auf der Hauptbühne. Der eingängige Oldschool-EBM überzeugt. Auch "Refused" von der unlängst erschienenen gleichnamigen EP der Band wird gespielt. Obwohl die Show mit 30 Minuten recht kurz ausfällt, hinterlassen Substaat einen bleibenden Eindruck. ---> Bilder Substaat

Ein Highlight am Nachmittag ist der Auftritt von Clan of Xymox auf der kleinen Bühne. Dicht gedrängt erwarten die Besucher die Band um Frontmann Ronny Mooring. Ein Hitfeuerwerk lassen die sympathischen Elektrorocker abbrennen. Songs wie "Stranger", "Emilie" und "Louise" werden begeistert gefeiert. Zum Abschluss geben Clan of Xymox mit dem Shocking-Blue-Cover "Venus" einen kleinen Ausblick auf das im Oktober erscheinende neue Album "Kindred Spirits". ---> Bilder Clan of Xymox

Rummelsnuff aus Berlin können auch sehr zufrieden sein, denn ihr Auftritt entwickelt sich zu einem Fest der Lebensfreude. Roger Baptist, Muskelpaket und Mastermind der Band, vermittelt brachiale Seemannsromantik und kann mit Volksmarine-Mütze und Gestik überzeugen. In einer an Comedy grenzenden Show lässt er seinen Keyboarder mit Schweinekopfmaske auftreten und damit der Verrücktheit freien Lauf, zur Freude der versammelten Fans und Besucher. ---> Bilder Rummelsnuff

tying tiffany © wolfgang hessePostpunk mit Tying Tiffany, Piano-Rock mit In Legend

Tying Tiffany aus Italien werden für viele Besucher zu einer Neuentdeckung. Obwohl schon seit 2005 auf den Bühnen und mit vier Alben im Gepäck ist die Band hierzulande eher unbekannt. Die Musik aus 80er Postpunk mit modernen Darkwave sowie der klaren Gesangsstimme voller Emotionen gehen ins Ohr. Die aktuelle CD der Band "Dark Days, White Nights" könnte bei so manchem Festivalbesucher in die engere Wahl gekommen sein. ---> Bilder Tying Tiffany


In-Legend-T-Shirts sind überall auf dem Festivalgelände zu sehen. Die Band hat eine große Fangemeinde nach Deutzen mobilisiert, die schon sehr früh die kleine Bühne bevölkern. Eine aufwändige Bühnendekoration haben In Legend mitgebracht.

Rock, bei dem das Piano im Mittelpunkt steht, ist eher selten. In Legend haben diese Kombination zu ihrem musikalischen Kerngedanken erhoben: "hand hammered piano craft".

in legend © wolfgang hesseMit Bass, Schlagzeug, Keytar und Piano sind die Musiker um Frontmann Bastian Emig bei der NCN angetreten. Bei den eingängigen und rockigen Songs lassen Musiker und Fans ihr langes Haar fliegen. Es ist Musik, die sofort unter die Haut geht und bei der man kaum ruhig stehen kann. ---> Bilder In Legend

Schurmotte ist das Label, aus dem Modeträume entstehen. Ob Steampunk, Korsett oder Gewandung, hier gibt es für den modebewussten Szeneenthusiasten viel zu entdecken. Die neusten Modelle werden auf der Kulturbühne in einer inszenierten Modenschau präsentiert. ---> Bilder Schurtmotte

Bei Agonoize spritzt das Blut

Agonoize sind für Shows bekannt und ziehen die Massen vor die kleine Festivalbühne. Frontmann Chris L. lässt das Kunstblut spritzen und benetzt damit gleich zu Beginn die ersten Reihen.

agonoize © wolfgang hesseWährend seines Auftritts steht der charismatische Sänger niemals still. Er benötigt den kompletten Bühnenraum für seine ausgedehnten Bewegungen, springt auf die Lautsprecherboxen oder lehnt sich weit über die Absperrungen zu seinen Fans. Nummern wie "Gottlos", "Koprolalie", "Bis Das Blut Gefriert", und "Sacrifice" gibt er in Deutzen zum Besten, und ebenso die neue Single "Wahre Liebe". ---> Bilder Agonoize

Trotz extremem Symbolcharakter in ihrer Darbietung sind die Texte von Agonoize tiefgründig und häufig mit (sozial-)politischem Hintergrund versehen. So entsteht eine außergewöhnliche Show. Die Band möchte provozieren und das schafft Chris L. mit seinen Leuten.

Mit S.P.O.C.K. auf die Enterprise

spock © wolfgang hesse

Auf der Mainstage beschließt Synthiepop aus Schweden die siebte NCN. Mit eingängigen Klängen ihrer Electro-Pop-Symbiose begeistern die drei Electroniker von S.P.O.C.K. ihre Fans, die mit schwedischer Flagge und Fähnchen in den ersten Reihen versammelt sind. Viel Spielfreude vermitteln die Musiker, die sich den Geschichten rund um Raumschiff Enterprise verschrieben haben. ---> Bilder S.P.O.C.K.

So geht eine NCN zu Ende, die eine gute Gelegenheit geboten hat, das Spektrum der Bands, die sich um die Gothic-Szene ranken, zu erweitern. Über das abwechslungsreich gefüllte Programm informiert wie immer ein 80-seitiges Begleitheftchen, das inzwischen Souvenier-Charakter trägt. Die Electro- und Rock-Konzerte dürften ebenso in Erinnerung bleiben wie die familiäre Atmosphäre und das dazu passende Festivalwetter. 

---> Bildergalerie Konzerte und Impressionen

Vielen Dank an das NCN-Team für den Platz auf der Gästeliste!