Anti-Pop aus Leipzig: Edition PaperONE Drucken E-Mail
Geschrieben von: Sascha Richter   
Dienstag, den 21. Juni 2011 um 23:59 Uhr

Noch in der Freitagnacht/am Samstagmorgen bewegte man seine müden Glieder im Keller des Soziokulturellen Zentrums Villa zur Musik der Leipziger DJs Thorsten und Herr Roth, auch bekannt unter dem dem Veranstaltungsnamen "Apocalyptic Cocktails".

Einige Stunden später ist das Licht gedimmt, und auch sonst finden sich kaum Spuren vom ausgelassenen Tanzen. Stattdessen werden Tonträger gegen Bücher getauscht. Auf der niedrigen Bühne thront ein Tisch, dahinter zwei Stühle. Sechzehn Uhr beginnt hier die Lesung von PaperONE während des Wave-Gotik-Treffens.


Lesung mit Edition PaperONE aus Leipzig


Leider, so teilt man mit, sei Hauke von Grimm verhindert, da er arbeiten müsse. Also übernehmen Jennifer Sonntag und ihr Co-Autor Dirot die Einleitung und spielen einige Hörbeispiele ab.

Michael Schweßinger, Edition PaperONE, copyright: Sascha RichterDanach betritt Michael Schweßinger die Bühne und gewährt Einblicke in zwei seiner Geschichten. Die erste handelt von einem Phänomen, oder einem Gemisch davon, wie man es durchaus beobachten kann: Ein Mann erzählt von seiner vergangenen Liebe, mit der er früher durch die Diskotheken von Leipzig zog.

Nach und nach hat sich ein Fremder in ihr Leben geschlichen und macht Silke immer mehr zu seinem Eigentum. Zuerst wirft sie ihr Lieblingskleid weg, um ab zu magern und Kleidung zu kaufen, die nicht ihrem Stil entsprechen. Doch dem dominanten Fremden geht es nicht um Liebe, sondern Unterwerfung mit der Größe 28 als Brandmal seiner Haremsdamen.

"Derwisch", die zweite Geschichte von Schweßinger handelt von einem Mann, der nach dem Erwachen rauchend in seiner trostlosen Wohnung sitzt, den ebenfalls trostlosen Blick aus seinem Fenster und das eher wenig befriedigende Verhältnis zu seiner Liebsten Selina beschreibt.

Auch hier zeigt sich eine aussichtslose Situation, die vor allem, was das Zwischenmenschliche, die Liebe im Besonderen, angeht, wenig Grund auf Hoffnung lässt.

Mit Oliver Baglieri, dem Verlagschef persönlich, wird es wesentlich lustiger. Seit über fünf Jahren lese er aus dem gleichen Buch, nämlich "Als die Grufties Buttons trugen". Leider habe er bisher kein anderes geschrieben, gestand der Gründer des Independent-Verlags.
Oliver Baglieri, Edition PaperONE, copyright: Sascha Richter
Dabei könnte er viele spannende Geschichten erzählen, wie die vom Fahrrad seines Cousins, seiner Verfolgung im Kolosseum oder einer Schlägerei im Flugzeug nach Bangkok. Verfasst hat er sie nicht, was den PaperONE-Herausgeber schließlich doch nicht davon abhält, von allen drei Geschichten zu erzählen.

Ein paar Anekdoten darauf beginnt er, aus dem eigentlichen Buch zu lesen. Dabei wollte er es zunächst nur für sich selbst schreiben. Wenn dereinst Alzheimer seine Sinne verwirre, könne er nach dem Lesen dieser Memoieren noch immer denken: "Mensch, was hat denn der Typ alles erlebt!".

Dann widmet man sich einigen Kapiteln des Buches, welche auf eher lustige Weise verschiedene Begebenheiten des Leben Baglieris schildern. Dabei geht es um Dinge wie das Paper-Mannchen, Gotik-Pogo-Partys, die Goths und Buttons und die Rolle des Autoren in all diesen Dingen.

Das Ende der Veranstaltung leitet Jan Lindner mit einer Auswahl seiner Gedichte wie "Ein Suppenkasper gibt den Löffel ab", "Das Nesthäkchen" und "Die Siedlung am Fluss" ein. Die eher makabere und düstere Lyrik enthaält schnell umgangssprachliche Ausdrücke, wobei man auch noch was lernen kann, zum Beispiel, was ein Schüttelreim oder ein Sonettenkranz überhaupt ist.




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