Stellamara, Faun, Schandmaul, Versengold – 5 Jahre Festival Mediaval Drucken E-Mail
Geschrieben von: Charly Groß   
Dienstag, den 11. September 2012 um 17:14 Uhr
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Stellamara, Faun, Schandmaul, Versengold – 5 Jahre Festival Mediaval
Gauklerei und Fantasy: Pampatut und Ballycotton
Paganfolk mit Faun
Mittelalterrock zum Abschluss: Versengold und Schandmaul
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30 Bands waren zu Europas größtem Mittelalterfestival angekündigt. Drei Tage lang, vom 7. bis 9. September 2012, verwandelte sich der Selber Goldberg in eine Herberge für Mittelalter- und Fantasy-Fans. Auf drei Bühnen standen Gaukler, Spielmannen und Folker aus den verschiedensten Ländern und Kulturen. Sie verwöhnten Aug' und Ohr' der gut 6000 Besucher mit vertrauten und exotischen Darbietungen.


Petrus meint es gut mit dem Festival und lässt die Sonne über das Gelände scheinen. Auch am Samstag ist es heiter und freundlich. Warme Sonnenstrahlen dringen durch Nadel- und Laubwerk, unter dem Ritter, Knappen, Maiden, Elben und Nonnen entlang der Bäume und Händlerbuden spazieren. Etwas weiter unten auf einer Wiese haben sich inzwischen einige Mediaval-Besucher versammelt. Den Blick richten sie gen Burgbühne, auf dem des Teufels Lockvögels Frontmann Marcus van Langen gerade sein Projekt Schagai vorstellt.

Orakel, Spiel, SchagaiSchagai © Rezianer

Inspiriert durch die mongolische Musik- und Kulturgeschichte, gründete der Spielmann 2011 das Musikprojekt, das aus drei mongolischen und zwei deutschen Bandmitgliedern besteht. Die binationale Formation wartet auf mit mongolischen und deutschen Liedern, größtenteils begleitet von mongolischen Instrumenten. Der Name bedeutet so viel wie "Orakel" oder "Spiel" und stammt aus der Zeit, als die alten Weissager mithilfe von Schafsknöcheln (Schagai) Schicksal und Zukunft lasen.

Beim Konzert lässt vor allem die Stimme von Purevdorj Naranbaatar aufhorchen. Sein tiefer, mal Bass-,  mal Kehlkopfgesang beeindruckt. Gemeinsam mit seinem Ikh Khuur, einer Art Bassgeige, und mit Vocal-Unterstützung seines Musikerkollegen Ganbold Nasanjargal überzieht er den Veranstaltungsort mit basstiefen exotischen Klängen.

Zum Festival singen sie von der Freundschaft zweier Blutsbrüder, die tragisch endet, "Tangarga" (dt. Schwur). Sie zelebrieren "Schagai" und mahnen in "Surgaal" ("Ich bin ich"), sich selbst treu zu bleiben. Auch deutsche Lieder sind zu hören, "damit ihr wieder was versteht", so van Langen augenzwinkernd zum Publikum. Diese werden vom Spielmann selbst gesungen. Dazu gehört auch das Lied "Vorbei", das neben "Surgaal" inzwischen auf der Bandhomepage als Video zu finden ist.

Stellamara © RezianerStellamara: Morgenländisches Flair

Gleich im Anschluss locken sphärische Klänge wie in den Märchen aus Tausend und einer Nacht auf die Schlossbühne. Stellamara, das international bekannte Musik-Projekt um die Sängerin Sonja Drakulich und den Multi-Instrumentalisten Gari Hegedus aus den USA, ist zu Gast beim Festival Mediaval. Die wogengleiche Stimme der Sängerin und der Klang der arabischen und balkanischen Instrumente vermögen zu verzaubern.

Das ursprüngliche Ziel Stellamaras ist es, mit ihrer Musik "die Liebe, Schönheit und Einheit durch transzendentale Harmonie und leidenschaftliche Rhythmen zu zelebrieren".

Versteht man auch die fremdsprachigen Texte nicht, fühlt man doch die Ruhe und Balance genauso wie die Passion innerhalb der Lieder. Oft werden diese durch Soli eingeleitet. Ist es in einem die Maultrommel, ist es im anderen eine Flöte oder ein arabisches Blasinstrument.

Für Stellamara wird der Festival-Auftritt das letzte Konzert in diesem Jahr auf ihrer Europa-Tour sein. Sonja Drakulich geht jedoch nicht von der Bühne, ohne an Faun zu erinnern. Seit 2012 spielt sie als Sängerin in der Band, und an diesem Abend werden die Paganfolker noch live zu erleben sein.


 

Spaß am Nachmittag mit PampatutPampatut © Rezianer

Nach den mystischen Klängen wird es heiter und lauter. Pampatut sorgen für lockere Stimmung. Auf der Burgbühne machen die Mittelalter-Komiker Holger Hopfenstreich Hoffmann und Max von Gluchowe ihre Späße mit dem Publikum oder pisacken sich gegenseitig. Zwischendurch zeigen die zwei aus Thüringen und Sachsen ihre Gesangskünste und ihre Fingerfertigkeit an Drehleier und Cister.

Mit schlüpfrigen Texten wie "Der Morgen bringt uns nichts als Sorgen, der Abend ist gut" oder "Der Zwölfte, der kam, er dacht', er wär der Erste" strapazieren sie für eine Stunde des Publikums Zwerchfell.

Ballycotton - Fantasy-Folk aus Österreich

Zurück an der Schlossbühne wird es mit den Fantasyfolkern Ballycotton wieder mystisch. Lieder aus ihren Alben "Mondland" (2003), "Eyla" (2005) und "Jenseits vom Ende der Zeit" (2009) haben sie mitgebracht.

Ballycotton © RezianerAkkordeonist und Sänger Peter Beinhofer, der gemeinsam mit Perkussionst Harald G. Binder die Band 1996 gründete, stimmt die Zuhörer auf die Lieder ein. So beschreibt er das Lied "Auf Dem Weg" als Teil einer Elfengeschichte. Der Held wird von der Elfe Eyla geheilt und geht dann dankend seines Weges. Es ist der 12. Track aus dem Album "Eyla", in dem vor allem die Violine die tragende Kraft ist.

Nach dem fröhlichen Spiel folgt das Titelstück aus dem 2009-Album: "Jenseits vom Ende der Zeit". In drei Teile sei es eingeteilt, erklärt Peter Beinhofer. Ruhig beginnt es, steigert im Mittelteil erheblich Rhythmus und Dynamik, um dann im Endteil wieder abzuklingen. Die Parts sind auf dem Album die letzten drei Tracks und heißen: "Leben", "Sehnsuche" und "Schlussakkord".

Zum Ende hin präsentieren die Fantasyfolker zwei Titel aus ihrem Album "Mondland". "Valhalla" wird dabei durch den Gitarristen und Bassisten Robert Polsterer eingeleitet. Beim anschließenden "Bettelwalzer" wiird gejodelt, und das Publikum jodelt mt. Wer das Lied einmal hören möchte, hat dazu auf der Website die Möglichkeit. Den "Bettelwalzer" gibt es dort als als Musikvideo zu hören und zu sehen.
Spiritual Sessions

Inzwischen bereiten Spiritual Sessions ihren zweiten Auftritt an diesem Tage vor. Auf der Theaterbühne, der kleinsten der drei Bühnen, spielen die Ukrainer bekannte und weniger bekannte Irish-Folk- und Mittelalter-Lieder. Auch die Ballade "Herr Mannelig" und die polnische "Polska" zählen darunter.


 

Faun - kleine Weltenreise mit den Paganfolkern

Anschließend zieht es die Massen zurück an die Schlossbühne. Hier wird in wenigen Minuten das Pa(ga)nfolk-Ensemble Faun aus München auftreten. Wie auch die Fantasyfolker Ballycotton sind sie beim Festival Mediaval bereits des Öfteren zu Gast gewesen. Schon bei der ersten Veranstaltung 2008 waren sie dabei. Es sei immer wieder schön, hier zu sein, gibt Frontmann Oliver SaTyr gern zu. Für die Band habe dieser Auftritt jedoch nicht nur eine schöne Seite, ist es auch gleichzeitig das letzte Konzert mit Stephan Groth, der bei Faun Cister, Flöte und Drehleier spielt. Dies mache das nun folgende Konzert so besonders.

Faun © RezianerDamit leitet er über zum ersten Lied, das bei keinem Konzert zu fehlen scheint. Schon bei den Worten, es gehe um ein Kraut, fangen die Ersten an zu jubeln. Von Laute, Sackpfeife und Drehleier begleitet, erzählt der Frontmann von "Rosmarin". Nach dem heiteren Stück stimmen die Sängerinnen keltisch-mystische Klänge an. Eine der beiden war schon vor einigen Stunden an gleicher Stelle zu hören. Sonja Drakulich von Stellamara ist zurück und singt nun gemeinsam mit Fiona Rüggeberg.

Für das dritte Stück holen sich die Faune eine weitere Künstlerin auf die Bühne. Die Kontaktjongleuse Beatritsche, den Festivalbesuchern bestens bekannt, jongliert ganz in Weiß mit zwei Kugeln zu dem Lied "Pearl" aus dem aktuellen Faun-Album "Eden" (2011). Leicht und geschmeidig lässt die Berliner Künstlerin beide Kugeln abwechselnd über ihren Hals zu ihren schlanken Armen hin- und her gleiten. Rosafarbenes Licht umgibt sie und wird zum Ende hin bläulich, was einen zauberhaften Kontrast zu ihrer weißen Gestalt darstellt.

"Sabrali Sa Se Sabrali" entführt anschließend nach Bulgarien. Das Volkslied erzählt, wie drei Mädchen über Nacht beraubt wurden. Der einen fehlte die Kette, der anderen der Gürtel, der dritten das Kleid. Nach dem Abstecher in den Osten führt die Reise mit "Iyansa" nach Island. Die Stimmen der Sängerinnen, das Holzblasinstrument von Fiona Rüggeberg sowie die rhythmischen Percussions durch Rüdiger Maul und der Klang der Nyckelharpa, die vom Frontmann gespielt wird, machen dieses Faun'sche Stück noch immer zu eines der besonderen.

Mit "Iduna" geht es weiter in die nordische Mythologie, bis es mit dem spanischen Liebeslied "Tinta" romantisch wird. Drei Zugaben folgen dem Konzert: "Wind und Geige", das euphorisch von den Fans zelebriert wird, "Pan", eine Hymne auf den griechischen Waldgott, dem Faun ihren Namen verdanken, und das "Tagelied" aus dem "Renaissance"-Album.


 

Singen und Feiern mit VersengoldVersengold © Rezianer

Allmählich ist es dunkel geworden. Die ersten Feuer werden gezündet, als die Mittelalter-Folker Versengold die gut besuchte Burgbühne betreten. Mit Trink- und Spaßliedern heizen sie die Massen, die schon den einen oder anderen Met hinter sich haben, noch einmal richtig ein. Bei Nummern wie "Ich Bin So Voll Wie Mein Krug" und "Drei Weiber" wird mitgesungen und getanzt.

Die trinkfesten Spielmannen haben aber auch gesellschaftskritische Themen auf Lager. Dazu gehören  "… Und Schon Wieder Rollt Ein Kopf" genauso wie "Immer Schön Nach Unten Treten". In dem einen geht es um die Gerichtsbarkeit, das andere prangert die Willkür der Oberen an.

Versengold wissen mehr noch zu berichten. Eine Art Premiere steht an. Das Lied wird heißen "Im Namen des Volkes" ("wird hier musiziert"). Eine Kostprobe bekommen die Mittelalterfans an diesem Abend.

Nach der Premiere folgt das Trink-Lied "Ich Und Ein Fass Voller Wein", das mit dem Mandolinenintro von Honza Sturmgemuet beginnt. Mit "Mein Messer" gehen die Jungs aus Niedersachsen wieder von der Bühne.

Schandmaul © RezianerSchandmaul um Frontmann Thomas Lindner sind die Headliner des Festival-Samstags

Die Fanschar ist vor der Schlossbühne versammelt und die markante Stimme des Sängers begrüßt das Publikum. Gleich zu Beginn stellt Thomas Lindner klar, dass neben den Nummern aus ihrem neuen Album "Traumtänzer" selbstverständlich auch "richtig alte Schinken" gespielt werden. Wie man dem sofort einsetzenden Jubel entnehmen kann, ist diese Ansage dem Publikum sehr willkommen.

"Auf Hoher See" wird angestimmt, dem sich thematisch der Klassiker "Herren Der Winde" anschließt. Weiter geht es mit "Hexeneinmaleins" und dem ersten alten "Schinken": dem "Hofnarren" aus dem Jahre 2002. In dem typisch mittelalterlich anmutenden Lied erhält der Narr die Tochter des Königs, weil jene durch den Lachmeister von ihren Depressionen befreit wurde.

Und weiter reisen die Münchner in ihrer mehr als zehnjährigen Bandgeschichte zurück. Aus dem Jahr 2000 stammt das Lied "Die Goldene Kette". In diesem übergibt eine Maid ihrem Liebsten eine goldene Kette, die sie nach seinem Tod bei ihrem Vater wiederfindet. Der erzählt ihr, dass er den Träger des Schmuckstücks extra für sie besiegte, um es ihr zu schenken. Daraufhin läuft sie davon.

Zurück zum "Narrenkönig"-Album (2002) bringt das gefeierte Vagabundenlied "Vogelfrei", zurück ins Jahr 2000 bringt die Nummer "Gebt Acht!". Die Geschichte um das böse Wesen, das in der Nacht lauert, verfeinert der Frontmann dramaturgisch mit Hilfe des Publikums. Jungs gegen Mädchen heißt es spontan. Bei dem Spiel zähle aber nicht nur, wer am lautesten, sondern vor allem, wer am höchsten schreien kann. Thomas Lindner zeigt mit ein paar Posen à la Michael Jackson, wie die Jungs das am besten bewerkstelligen können. Die männlichen Besucher spielen mit und gewinnen. Schandmaul2 © Rezianer

Als Nächstes folgt "Traumtänzer". Der Titelsong des aktuellen Albums kommt leicht und fröhlich durch Text, Flöte und Fiedel daher. Dann steht die "Walpurgisnacht" an diesem Abend an und auch vor dem "Teufelsweib" wird gewarnt. Singen, Klatschen und Tanzen ist gefragt und wird vom Publikum euphorisch zelebriert.

Mit dem Liebeslied "Dein Antlitz" tritt die gewohnte Ruhe ein. Feuerzeuge, Handys und Leuchtstäbe werden in die Höhe gestreckt – und Schandmaul lassen das Publikum singen.

Fast ist das Konzert vorbei, doch einmal werden die Fans noch gefordert. Nachdem "Der Wandersmann" seine Geschichten erzählt hat, wird der Refrain dieses Trinkliedes unter choreografischer Anleitung Thomas Lindners mehrfach wiederholt. Einen letzten Ohrwurm schicken Schandmaul der noch immer glühenden Fanschar als Dankeschön mit auf den Weg: "Es war schön mit euch …".

Die ausgehenden Lichter und Nina Hagens "Du Hast Den Farbfilm Vergessen" machen auch dem letzten Zugabe-Rufer klar, dass die Schlossbühne bis zum Sonntag dunkel bleiben wird. 14 Barden und Bardinnen warten bereits als einmaliges Ensemble "Capella Bardica Mythodeanis" auf der Burgbühne. Das Mitternachtsspecial und damit die letzte offizielle Veranstaltung wird eine Stunde lang Mittelalter-, Folk- und Akustikfans erfreuen.

--> Bilder Schagai
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--> Bilder Impressionen

Bei Rezianer
Rezension Schandmaul "Traumtänzer"
Rezension Faun "Eden"

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